'Arisierungen' durch die Stadt Aachen während der Zeit des Nationalsozialismus

 

Die Vernichtung der jüdischen wirtschaftlichen Existenz stellt eine der größten Diskriminierungs-, Enteignungs- und Raubaktionen in der jüngeren deutschen Geschichte dar. Lokalgeschichtliche Studien der vergangenen Jahre konnten zeigen, dass die wirtschaftliche Ausschaltung der Juden keineswegs ein geordneter Prozess „von oben“ war. „Arisierung“, so wurde deutlich, war ein politisch-gesellschaftlicher Prozess, in den viele Akteure involviert waren und dessen Umsetzung vor Ort bis Ende der 1930er-Jahre je nach lokalen Initiativen unterschiedlich verlaufen konnte. Zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der Aachener Juden existieren bisher lediglich Erkenntnisse zur Ausschaltung der Aachener Juden speziell aus der Tuchindustrie.

Das Dissertationsprojekt untersucht die „Arisierungen“ in Aachen der Jahre 1933 bis 1945 und fokussiert dabei die Übernahme von jüdischem Grundbesitz und Immobilien. Neben vielfältigen lokalen Akteuren – wie nationalsozialistische Täter, Banken, Unternehmer und andere Profiteure – betrachtet diese Studie besonders die Handlungsspielräume und Initiativen der städtischen Verwaltungsstellen: Es soll beantwortet werden, inwiefern die Stadt Aachen bei „Arisierungen“ mitwirkte und welche Grundstücke und Immobilien dabei in städtischen Besitz fielen. Dabei soll zudem bemessen werden, inwieweit sich lokale Besonderheiten in Aachen, wie der starke Katholizismus Anfang der 1930er-Jahre oder die Grenznähe, auf die „Arisierungen“ im Vergleich zu anderen Städten auswirkten. Neben dem Blick auf die Profiteure ist auch zu prüfen, welche Handlungsspielräume und Erwartungen jüdische Grundstücks- und Immobilienbesitzer besaßen, wie sie die sich wandelnde Situation deuteten und welche Behauptungsstrategien sie verfolgten.

Die Studie wird ebenso Prozesse der Entschädigung und „Wiedergutmachung“ in Aachen nach 1945 ausleuchten: Es wird untersucht, welche Rolle kommunale Akteure neben anderen behördlichen Instanzen bei der „Wiedergutmachung“ einnahmen und inwieweit Opferverbände medialen und politischen Einfluss entfalten konnten. Angesichts der zuletzt höchst dynamischen und medial breit rezipierten Forschung über NS-Belastungen und NS-Kontinuitäten – auch in den Behörden nach 1945 – erscheint es für die städtische Erinnerungskultur von elementarer Bedeutung, die städtische Rolle im Prozess der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ausgrenzung und Vernichtung der Juden sowie deren „Wiedergutmachung“ und Aufarbeitung in Aachen zu vermessen.

Das Projekt am Lehrstuhl für Geschichte der Neuzeit (19.-21. Jh.) mit ihren Wissens- und Technikkulturen wird gemeinsam mit dem Stadtarchiv Aachen (Dr. René Rohrkamp) durchgeführt. Die Finanzierung erfolgt durch den Landschaftsverband Rheinland und die Stadt Aachen. Das Dissertationsprojekt wird von Sandra Dresia bearbeitet.

Näheres zu dem Projekt finden Sie in einem Artikel der Aachener Zeitung.